Indien ist mit mehr als 1,3 Milliarden Einwohnern einer der bevölkerungsreichsten Staaten der Welt. Und gleichzeitig mit knapp 3,3 Millionen Quadratkilometern das siebtgrößte Land der Erde – was neunmal der Größe Deutschlands entspricht. Das Gebiet Indiens umfasst Wüstengebiete, weite und äußerst fruchtbare Landschaften, wie zum Beispiel die berühmten Teeplantagen im nordindischen Assam und Darjeeling sowie das höchste Gebirge der Erde: den Himalaja.

Indiens Mittelschicht mag wachsen und gedeihen aber die Armut ist immer auch allgegenwärtig. Trotz des hohen Wirtschaftswachstums haben rund 10 Prozent aller Inderinnen und Inder weniger als 2 US-Dollar am Tag und leben damit in extremer Armut. Damit ihr euch das besser vorstellen könnt: Das sind 120 Millionen Menschen. In Deutschland leben insgesamt rund 80 Millionen Menschen. Das Kastenwesen, welches seit vielen Jahren verboten ist, verstärkt diese Situation noch. Fast alle Armen gehören entweder zu den untersten Kasten oder zu den kastenlosen Dalits sowie den Adivasi-Ureinwohnern.

Die Rolle der Frau in der indischen Gesellschaft

Die Situation der Frauen in Indien ist geprägt durch patriarchale Vorstellungen in der Mehrheit der Bevölkerung, in der der Mann gegenüber der Frau bevorzugt wird. Mädchen und Frauen werden so in allen gesellschaftlichen Bereichen massiv eingeschränkt und zum Teil noch immer als zweitklassig angesehen. Einige Frauen der gebildeten Mittel- und Oberschicht können ein selbstbestimmtes Leben führen, arbeiten für große multinationale Konzerne oder begleiten teils auch Regierungsämter. Ob eine Frau ein selbstbestimmtes und freies Leben führen kann, hängt jedoch stark von ihrer Religions- und Kastenzugehörigkeit, ihrer sozialen Schicht, ihrem Bildungsgrad und dem ihres Umfelds ab.

Aufgrund der Tradition der Mitgift in Indien, die immer noch stark verbreitet ist, werden Söhne generell bevorzugt, weibliche Föten trotz Verbot abgetrieben, Mädchen systematisch vernachlässigt und oft misshandelt. Auch wird ihnen Gesundheitschecks oder Medizin vorenthalten. Durch diese frauenfeindliche Praxis gibt es mittlerweile circa 55 Millionen mehr Männer als Frauen in Indien! Erwachsene Frauen erfahren täglich, dass Männer glauben, über Sie und ihren Körper entscheiden zu dürfen: Sie werden sexuell belästigt, im Berufsleben und in der Freizeit benachteiligt und sind in den eigenen Familien überwiegend großer physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt. Die Heirat mit einem Mann wird oftmals als die einzige Option für Frauen gesehen, ein sicheres Leben zu führen. Dazu kommt, dass circa 90% aller Ehen immer noch arrangiert werden.

Gegen diese frauenfeindlichen Strukturen regt sich aber immer wieder Widerstand. Es bilden sich Gruppen von Frauen und teils auch Männer, die diesen Zustand nicht länger dulden und für mehr Rechte für Frauen in Indien kämpfen. Veränderungen werden vor allem für die gut ausgebildete Mittelschicht sichtbar, die durch eigene Jobs ein neues Selbstbewusstsein entwickelt. Für die ärmere Bevölkerung auf dem Land liegen diese Chancen jedoch noch immer in weiter Ferne.

Unser Beispielprojekt in Indien

Das Navijagriti-Heim: Anlaufstelle für Mädchen und Frauen

Lucknow liegt in Uttar Pradesh, einem der ärmsten Saaten Indiens. Das gesellschaftliche Gefüge wird von einem strikten Kastensystem geprägt. Der Status von Mädchen und Frauen ist extrem niedrig. Etwa 80 Prozent der Mädchen werden zwischen dem 15. und 18. Lebensjahr verheiratet. Alle Formen häuslicher Gewalt sind weit verbreitet, ebenso alle Formen von Ausbeutung der weiblichen Hausangestellten. Mädchen und Frauen dürfen nur selten das Haus verlassen und haben kaum Zugang zu ärztlicher Versorgung. Nach Gewaltexzessen landen sie oft auf der Straße.

Den Schwestern der Gemeinschaft "Franciscan Sisters of Mary" ist die Hilfe für Mädchen und Frauen in Not ein besonderes Anliegen. Seit einigen Jahren betreiben sie ein mit Hilfe von missio errichtetes Frauenhaus, wo Mädchen und Frauen Zuflucht finden, die Gewalt erfahren haben. Für alle Bedürfnisse der Mädchen müssen die Schwestern aufkommen: Unterkunft, Verpflegung, Kleidung, Kosten der Rehabilitation, Schul- und/oder Berufsausbildung. Maximal können 20 Mädchen aufgenommen werden, aber die Zahl derer, die Aufnahme benötigen, steigt.

Die Schwestern sind ausgebildet als Lehrerinnen, Sozialarbeiterinnen und Therapeutinnen. Sie haben viele Jahre Erfahrung mit Mädchen und Frauen, die Gewalt aller Art erfahren haben. In Navjagriti können sich die Frauen erholen und gesund werden an Leib und Seele. Sie werden wertgeschätzt. Sie erfahren, dass Gewalt nicht unbedingt zum Leben gehören muss. Sie können einen Beruf erlernen und ihr eigenes Geld verdienen. Es gibt Kurse für Schneidern, Sticken, Computer, Schmuckdesign, aber auch Gesundheitserziehung und Haushaltsführung. Das Trauma, das die Frauen durchlitten haben, wird aufgearbeitet. Sie bekommen spirituelle Begleitung und Rechtsberatung.